21. November 2011

siebenmal gefärbt

Mein wichtigstes Vorwort

Beim Lesen des Stückes bekommen einzelne Blätter eine Präferenz vor anderen, werden einzelne Ausschnitte wichtiger oder lösbarer oder interessanter als andere erscheinen. Konsequenterweise ergibt sich für jede(n) InterpretIn eine andere Schwerpunktsetzung, eine andere Auswahl von „MOTIVEN“. Diesen Motiven soll mit Vehemenz nachgegangen werden: wiederholend artikuliert, loop-artig immer wieder interpretiert, dabei leichte Veränderungen erfahrend und in trancehafter Versenkung immer recyclet, um die Figur, den Klang, den Rhythmus genau zu ziselieren (vergessen wir dabei nicht einen wichtigen Aspekt der Quantität: Eine Schafherde, ein Schwarm Vögel etc. … sind eine misteriöse Ansammlung von Varianten eines bestimmten Prototyps, als empfände die Natur Abscheu vor exakter Reproduktion oder ist unfähig, sie herzustellen). Diese Motive können auch Fragestellungen zur Partitur sein, die so unlösbar scheinen, dass durch deren Verbalisierung und Wiederholung einerseits eine Erleichterung eintritt, andrerseits eben eigene musikalische Formen entstehen.

Die gesamte Partitur ist Reflexionsmechanismus, der bei den Interpreten die „richtigen“ Resonanzen auslöst. Die Partitur ist nicht mehr verlängerter Ordnungsanspruch der Vergangenheit (einer damals gehabten Idee), dem die Gegenwart und die Zukunft entglitten ist (ein sehr abgewandeltes Zitat aus: Risikogesellschaft. Auf den Weg in eine andere Moderne von Ulrich Beck; ebenda:) Reichtümer kann man besitzen, von Risiken ist man betroffen. In Klassen- und Schichtlagen bestimmt das Sein das Bewußtsein, während in Gefährdungslagen das Bewußtsein das Sein bestimmt.

… oder anders ausgedrückt: Die Suche nach einem radikaleren Paradigmenwechsel zerstört die „schönen Bilder“ und hebt das Schreiben über die Partitur in den Rang der eigentlichen Partitur.

Die Absicht?

In der esoterischen Weltanschauung wird das Universum in sieben Seinsebenen aufgeteilt. Die niedrigste ist die physische Materie, Grundlage aller Tätigkeiten und Veränderungen. Auf dieser Ebene wird die Resonanz auf den Kraftstrom, den ein schöpferischer, Willen-aussendender Ursprung freigesetzt hat, als Ton hörbar. Er vermittelt die Absicht des verursachenden Ursprungs. Doch der hörbare Ton enthält nicht nur die ursprüngliche informative Absicht, er ist auch von den physischen Grenzen und besonderen Eigenschaften des resonierenden Instruments geprägt. Die Obertonreihe, die der resonanzfähige Ton hervorbringt, ist niemals eine vollständige, einige der Teiltöne sind intensiver, andere fehlen ganz. Das führt zur besonderen Klangfarbe und Qualität des Tones. Wir hören nie den „wirklichen Klang“ – nur seine momentane Resonanz durch die Einwirkung unhörbarer Energien (vergleichen wir es mit dem Begriff der Quanten in der Physik, so entbehrt die Idee der sprunghaften Freisetzung von Energie plötzlich jeglichen esoterischen Mäntelchens!). Diese resonante Energie ist nun auch auf den ganzen Denk- und Fühlprozeß beim Lesen dieser Partitur auszuweiten – als „Gefährdungslage“ zu begreifen.

Ich Komponist sende – Du MusikerIn reflektiere. Nieder mit dem Produktionsprozeß, re-agiere, wandle, forme DEIN Sein!

Hinterfragen ist wichtiger als das hohe C. Unschuld beschützt niemand!


Wien, 2008