30. November 2011

UBV's

für die Ausstellung "un&sichtbar" - wien modern 2002, entstand die Serie der UBV's 
(Unbekannte besondere Vorkommnisse)





  





aus dem Katalog:


vom Schauen zum Klingen

AUF/BRUCH; "Man hört nicht auf die tausend Geräusche der Natur um sich herum, man lauscht zuwenig auf die so vielfältige Musik, die uns die Natur überreich anbietet.“ Claude Debussy hebt somit (1909) auch alle anderen musikalischen Parameter in den Rang der in den letzten 300 Jahren fast alleine vorrangigen Tonhöhe. Dieses Verschieben von Prioritäten bedeutet nicht nur neue Provokationen der Schrift. Das tonhöhen-orientierte Denken und die damit verbundenen Instrumente und Formen verlieren wieder an Bedeutung; alles gerät ins Rutschen: Von der Konzeption (die abermalige Wandlung des Begriffes ‚Orchester‘) bis zur Aufführungspraxis (nehmen Sie doch das hier angebotene „Musiktheater“ in Ihre eigene Sphäre mit).

Pictophonics
Blickend Hören; Standfoto eines Klangfilms, durch aktive An-Schauung wieder in Bewegung gesetzt, sich – zigzagando! – zu einer Reihe von Lese- und Hörarten entfaltend. Sei es, dass der Klang den willkürlich über das Bild schweifenden Blick zügelt, sei es, dass geordnetes Schauen Unklarheiten im Klang strukturiert oder immer neue Mischungen aus beidem ein „Sound-Image“ im Kopf entstehen lassen. Das TonBild als Vermittler zur klingenden Tatsächlichkeit. Zauberhafte Instrumente (vom herabfallenden Laub bis zum herabfallenden Bösendorfer …) werden durch Energiekörperchen – die mehrdimensional tänzelnd, mit- und gegeneinanderschwimmend neue Tonkontexte herstellen – zum Schwingen angeregt.

Durch wiederholtes „Lesen(= Innehalten) wird Zeit aus allen Dimensionen akkumuliert (nicht verloren – was immer das heißt): viele Episoden werden zum Sternhaufen der Jetzt-Pluralität. Natur wird überblendet von Fiktion, die den Status von Wirklichkeit annimmt: Virtualität erhebt in der Musik immer Anspruch auf Realität.

Unfinished im Zirkel der Töne 
Musik ist die Verkörperlichung der in den Klängen selbst gelegenen Intelligenz (Hoëné Wronsky, Mitte 19. Jhdt.): Anstoß zum alchemistischen Prozess einer Ideen-Metamorphose, die die Komplexheit von Klang aus einem materiellen Gestus (einem Zeichen – einer Bewegung) in ephemere Schwingungen verwandelt. 


Träumendes Denken vs. Klingen; „AUF-ZEICHNUNG“ als „VOR-BILD“ der Interpretation und als ihr Nebelhorn bei den daraus resultierenden Interferenzen in Raum und Zeit. Die digitalen Apparate des 3. Milleniums erlauben den KomponistInnen zu umfassenden Interpreten zu werden und so den Kreis selbst zu schliessen. Kombiniert mit der in Jahrhunderten gewonnenen Virtuosität an mechanischen Instrumenten bieten sie den im von Debussy aufgerissenen Universum Reisenden das benötigte Werkzeug an und bescheren uns frei gestaltbare Mittel, neue Objekte unseres Ausdruckswillens zu schaffen!

Wie immer auf der Suche  …  im FORT/SCHRITT (The Unknown);                        Ihr.

Der Sprung ins Freie

fixed Media



Der Sprung ins Freie by Bruno Liberda

Ständchen

23. November 2011

self portrait without self

line-up: Zither, voice, live-electronics

… Spiel mit gefrorenen Spektren …. Stimme und Zither werden live in Kyma weitergeformt, wo bestimmte Algorithmen das "stop and go" des Spektrums lenken … in unregelmäßigen Zeitintervallen schlüpft die Musik in gerade analysierte und festgehaltene Situationen ihres eigenen Spektrums und spiegelt sich in diesen fixierten Obertönen. Verschiedenste Farbbetonungen im Klang sind das Resultat … abhängig davon, ob eine scharfklingende, hohe Note oder meine tief grummelnde Stimme eingefangen wurde …


Bruno Liberda _ Uraufführung von "self portrait without self", Porto / Sept. 2011





21. November 2011

siebenmal gefärbt

Mein wichtigstes Vorwort

Beim Lesen des Stückes bekommen einzelne Blätter eine Präferenz vor anderen, werden einzelne Ausschnitte wichtiger oder lösbarer oder interessanter als andere erscheinen. Konsequenterweise ergibt sich für jede(n) InterpretIn eine andere Schwerpunktsetzung, eine andere Auswahl von „MOTIVEN“. Diesen Motiven soll mit Vehemenz nachgegangen werden: wiederholend artikuliert, loop-artig immer wieder interpretiert, dabei leichte Veränderungen erfahrend und in trancehafter Versenkung immer recyclet, um die Figur, den Klang, den Rhythmus genau zu ziselieren (vergessen wir dabei nicht einen wichtigen Aspekt der Quantität: Eine Schafherde, ein Schwarm Vögel etc. … sind eine misteriöse Ansammlung von Varianten eines bestimmten Prototyps, als empfände die Natur Abscheu vor exakter Reproduktion oder ist unfähig, sie herzustellen). Diese Motive können auch Fragestellungen zur Partitur sein, die so unlösbar scheinen, dass durch deren Verbalisierung und Wiederholung einerseits eine Erleichterung eintritt, andrerseits eben eigene musikalische Formen entstehen.

Die gesamte Partitur ist Reflexionsmechanismus, der bei den Interpreten die „richtigen“ Resonanzen auslöst. Die Partitur ist nicht mehr verlängerter Ordnungsanspruch der Vergangenheit (einer damals gehabten Idee), dem die Gegenwart und die Zukunft entglitten ist (ein sehr abgewandeltes Zitat aus: Risikogesellschaft. Auf den Weg in eine andere Moderne von Ulrich Beck; ebenda:) Reichtümer kann man besitzen, von Risiken ist man betroffen. In Klassen- und Schichtlagen bestimmt das Sein das Bewußtsein, während in Gefährdungslagen das Bewußtsein das Sein bestimmt.

… oder anders ausgedrückt: Die Suche nach einem radikaleren Paradigmenwechsel zerstört die „schönen Bilder“ und hebt das Schreiben über die Partitur in den Rang der eigentlichen Partitur.

Die Absicht?

In der esoterischen Weltanschauung wird das Universum in sieben Seinsebenen aufgeteilt. Die niedrigste ist die physische Materie, Grundlage aller Tätigkeiten und Veränderungen. Auf dieser Ebene wird die Resonanz auf den Kraftstrom, den ein schöpferischer, Willen-aussendender Ursprung freigesetzt hat, als Ton hörbar. Er vermittelt die Absicht des verursachenden Ursprungs. Doch der hörbare Ton enthält nicht nur die ursprüngliche informative Absicht, er ist auch von den physischen Grenzen und besonderen Eigenschaften des resonierenden Instruments geprägt. Die Obertonreihe, die der resonanzfähige Ton hervorbringt, ist niemals eine vollständige, einige der Teiltöne sind intensiver, andere fehlen ganz. Das führt zur besonderen Klangfarbe und Qualität des Tones. Wir hören nie den „wirklichen Klang“ – nur seine momentane Resonanz durch die Einwirkung unhörbarer Energien (vergleichen wir es mit dem Begriff der Quanten in der Physik, so entbehrt die Idee der sprunghaften Freisetzung von Energie plötzlich jeglichen esoterischen Mäntelchens!). Diese resonante Energie ist nun auch auf den ganzen Denk- und Fühlprozeß beim Lesen dieser Partitur auszuweiten – als „Gefährdungslage“ zu begreifen.

Ich Komponist sende – Du MusikerIn reflektiere. Nieder mit dem Produktionsprozeß, re-agiere, wandle, forme DEIN Sein!

Hinterfragen ist wichtiger als das hohe C. Unschuld beschützt niemand!


Wien, 2008