8. Februar 2012

Instrumentenbau – anders

Eigentlich wollte ich nur auf eine Szenerie von Leuten aufmerksam machen, die sich sogar noch abseits der raren Spezialisten im Synthesizerbau, oft auch nur EinMann/Frau-Firmen, einem besonderen Thema widmen: Aus "Wegzuwerfendem" oder "Nicht-Mehr-Brauchbarem" in einer sehr eigenwilligen Ästhetik schöne Instrumente zu bauen, meist Unikate, die dann auch spezielle Musik hervorbringen.

Was da unter dem Stichwort "Gesamtkunstwerk" passiert, hat eine lange Tradition im Instrumentenbau, die bei Harry Partch im vorigen Jahrhundert sicherlich einen Höhepunkt erreicht: Aus der Notwendigkeit heraus, ein neues Tonsystem zu realisieren, baut Harry Partch zuerst die bekannten traditionellen Instrumente um. Je weiter er aber im Neuland vorankommt, desto genauere Anforderungen stellt er an sein neues Instrumentarium und entwirft auch die äussere Form und die Namen seiner Instrumente ganz genau, weil er ein Gesamterscheinungsbild aus Hören und Sehen kreieren will.
Quadrangularus Reversum    Foto von Seth Tisue



















Hier kann man die Instrumente sogar selbst am Computer ausprobieren!

Der Bau von Musikinstrumenten ist eine der anspruchvollsten, ausgeklügelsten, differenziertesten Technologien, die wir Menschen überhaupt entwickelt haben. Oft unpassende Kombination von Materialien (Holz, Metallsaiten etc.) ergeben Instrumente, die  in ihren einzelnen Bestandteilen hochentwickelte Komponenten einer komplexen Struktur waren. Instrumentenbau war immer am Limit der jeweils möglichen Technologie und wurde immer im Zusammenhang mit der oder vielmehr für die Erschließung von neuen Tonsystemen, Klangfarben und Spielweisen vorangetrieben.


Welch unsicherer und vom analytischen Wissen kaum begreifbarer Boden dabei oft betreten werden muss, möge dieses Zitat aus Abraham Moles Buch “Informationstheorie und ästhetische Wahrnehmung” (1958) illustrieren:


“Es gibt ein bedeutendes Lehrgebäude zu den Strukturen der musikalischen Nachricht; dies ist die ‘Musiktheorie’, genauer, die Gesamtheit der Sachgebiete, die unter dem Namen Notenlehre, Harmonik, Kontrapunktik, etc. bekannt sind. Es handelt sich hier um eines der wichtigsten Lehrgebäude der Ästhetik überhaupt … Jeder der gewiß zahlreichen Versuche, in diesem Bereich einen wissenschaftlichen Standpunkt einzunehmen, ist bisher gründlich fehlgeschlagen. Das umfangreiche Gebäude scheint auf Sand gebaut,... die dogmatische Grundlagen der Musiktheorie sind im psychologischen Experiment nicht bestätigt worden … Die eigentliche Musikentwicklung scheint sich in Form einer methodischen Verletzung früher anerkannter Regeln zu vollziehen.
Nun bietet sich eine Hypothese an: exotische, primitive, moderne und experimentelle Musik haben nacheinander die klassischen Gesetze ‘mißachtet’, ohne deshalb den WERT der Musik zu zerstören; diese Gesetze waren also nicht die wahren strukturellen Gesetze, ihre Prinzipien nicht die wahren Grundlagen einer Kunst der Zeitmodulation. Es muß andere, geheimere, fundamentalere und auch allgemeinere Gesetze für die ‘Zeitkünste’ geben.”