28. Januar 2012

Schnelle Kurven


Nichts ist langweiliger als immer dasselbe 
oder 
Warum wir in der Musik Hüllkurven brauchen

Jeder Klang beginnt (selbst der bis heute als Hintergrundrauschen im Weltall hörbare Urknall hat angeblich vor 13,7 Milliarden Jahren begonnen) – jeder Klang endet, klingt aus. Ein Klavierton, eine gezupfte Cellosaite, ein langsam an- und abschwellender Trompetenton, punkthaft knatterndes Hundebellen, rollender Donner, zerberstendes Glas … alle diese Klänge haben ganz offensichtlich einen unterschiedlichen Beginn und enden auch in einer anderen Art und Weise.

Verwenden wir nun statt mechanischer Instrumente Strom zur Erzeugung von Tönen …
A propos Elektrizität: In einem Artikel der Zeitschrift für Instrumentenbau des Jahres 1887 heißt es: ... Jedenfalls dürfen wir daran festhalten, daß die freie Erzeugung des Klanges durch die Elektrizität ermöglicht erscheint...
… gibt es ein Instrument, dass darauf spezialisiert ist, diesen Umstand des unterschiedlichen Ein- und Ausschwingens von Klängen nicht nur zu reproduzieren, sondern sogar neu zu modellieren:
den Hüllkurvengenerator




Der Erfinder dieser Komponente (hier wahrscheinlich der Moment des Geistesblitzes), der aus Russland emigrierte Komponist Vladimir Ussachevsky, hat 1965 Robert Moog diese Idee zur Verbesserung des Modulsystems vorgeschlagen.




Von einfachen Modulen, die nur den Beginn eines Klanges beeinflussen können bis hin zu komplexen, im Computer gezeichneten Hüllkurven gibt es eine große Variationsbreite.



17. Januar 2012

4/17 HAIKU

draussen schneit es (in Wien), da erinnere ich mich …
4/17 Haiku
 viersiebzehntel Haiku by Bruno Liberda 

13. Januar 2012

Der kurze Weg vom Denken zum Klingen


"Wir sehen, daß in dem Maße, als in der organischen Welt die Reflexion dunkler und schwächer wird, die Grazie darin immer strahlender und herrschender hervortritt. Doch so wie das Bild des Hohlspiegels, nachdem es sich in das Unendliche entfernt hat, plötzlich wieder dicht vor uns tritt: so findet sich auch, wenn die Erkenntnis gleichsam durch ein Unendliches gegangen ist, die Grazie wieder ein.

Denn Ziererei erscheint, wie Sie wissen, wenn sich die Seele in irgendeinem anderen Punkt befindet, als in dem Schwerpunkt der Bewegung.
Missgriffe sind unvermeidlich, seitdem wir vom Baum der Erkenntnis gegessen haben. Doch das Paradies ist verriegelt und der Cherub hinter uns; wir müssen die Reise um die Welt machen und sehen, ob es vielleicht von hinten irgendwo wieder offen ist."













Mit der Ineinssetzung von Klang und Virtualität durch die dezentralisierte Effizienz von Netzwerken reaktiver (interaktiver) Kontrollen welcher Art auch immer – seien sie Wind, Licht, Bewegung (ist das Vorbeigehen von Menschen natürliche oder künstliche Bewegung?), geübte Finger, Stimmbänder, Rechenalgorithmen („Ameisenaktivität“) ist die Musik zum Punkt der creatio ex nihilo gelangt. Diese Schöpfung aus dem Nichts wird zum Akt der Autogenese, der Selbstzeugung als vielleicht verzweifelter Versuch des Kleistschen Durchgangs durch das Unendliche.

Um zu klingen – per sonare: Person; vielleicht „Fuß fassen“ im heutigen Sinn, das über das zweifache Anknüpfen funktioniert  – die äusseren Bedingungen und die innere Sehnsucht (oder besser: die innere Schau!)

Vom Denken zum Klingen: Natürlich ist die Zahl in der Musik von grundlegender Bedeutung (oder: Die Zahl ist die Natur der Musik!). Die tote Mathematik der seriellen Musik erwacht mit heutiger Technologie zu neuen gestischen Möglichkeiten – die strenge Beziehung aller Parameter weitet sich auf den musikalischen Raum aus und wird mit ins formale Denken genommen, um so zu neuen Freiheiten zu gelangen.

Sowie “Melodie” oder “Klangfarbe” verschiedene Schrift-Bilder brauchen, entwerfe ich für jedes Stück das formale Gesamte und führe den Klang – die Musik – das „Werk“ in ihre ureigensten „Spiel-Räume“ (die Kategorie der „Klanginstallation“ eigentlich nicht tangierend, wenn sich´s auch äußerlich als solche darstellt). Einerseits detailversessen in tausendstel Sekunden kalkuliert und andrerseits im übergeordneten Netzwerk aller aufeinander wirkenden Parameter neue Synapsen, neue Schaltstellen der Spiritualität entwickelnd …

10. Januar 2012

Klangwerkstatt, forts.

"… data, its generation, its acquisition, its transformation …" lese ich heute Früh im Vorwort des neuen Buches über Computermusik von Jeffrey Stolet "… um daraus eine musikalische Reise werden zu lassen …" Das scheint mir die perfekte nüchtern-poetische Zusammenfassung all der Bilder und Worte aus meinem vorhergehenden Posting.

Ein glücklich zugeflogener Augen-Blick, sein Festmachen und Weiterspinnen.

Generieren oder Aquirieren verschwimmen und werden irisierend zum Synonym.

Transformieren: der immer wieder in verschiedene Richtungen losgeschickte Augen-Blick.

Während des Transformationsprozesses werden wie durch einen inneren, geheimnisvollen Magneten immer wieder neue Partikel aus dem noch unbekannten Universum des neuen Stückes in den Strudel der Verarbeitung geschleudert, die langsam ein vollendet marmoriertes (Klang-)Bild ergeben.

Durch das "ins Licht halten" einzelner Datensätze erkenne ich langsam am Schimmern, Glitzern und Leuchten, wer zu wem passen könnte, welche Charakterisik unterstrichen werden will, welche verborgen  bleiben soll, akribische Beurteilung, Zensur, Resonanz, aufbauschen, beschwichtigen … eine neue musikalische Reise hat begonnen.

Jeffrey hat eine wunderbare interaktive Seite für Grundbegriffe der elektronischen Musik.

8. Januar 2012

Klangwerkstatt

meine Werkzeuge zum Komponieren reichen vom Bleistift (kein Foto:-) über verschiedene Hilfsmittel (pseudo)instrumentaler Art als Zulieferer





































… bis hin zu spezieller Computersoftware und einem eigens für Musik gebauten Computer 


Um 1950 unterscheiden wir genau zwischen mit Mikrofonen aufgenommenen, vorher mechanisch erzeugten Klängen ("musique concrète" / Paris), die dann hauptsächlich mit Schnitt und Geschwindigkeitsmanipulation zu "Tape-music"weiterverarbeitet werden und rein elektronisch aus Oszillatoren u.a. hergestellten ("elektronischen Musik" / Köln), in Konsequenz der seriellen Musik genau berechneten Klängen. Es herrscht auch ein philosophischer Dissenz, da die einen überzeugt sind, dass uns die Natur überreich mit den komplexesten Spektren beschenkt, die mittels Technologie nie erreicht werden könnten, die anderen hingegen endlich froh sind, sich mittels Umkehrung der Fourier-Analyse (Zerlegung jedes Klanges in Sinustöne ≠ Synthese jedes beliebigen Klanges aus Sinustönen) eben von der "Natur" befreien zu können.
Natürlich haben beide Methoden Vorteile, sind inzwischen (nicht nur) im Computer zusammengewachsen und vor allem unglaublich verfeinert worden. Neue Mikrofon- und Aufnahmetechniken erlauben uns, Spektren von Schallereignissen minutiös einzufangen und darzustellen. Neueste Computerprogramme ermöglichen dann, diese Matrizen als Ausgangsmaterial zu raffiniertem Komponieren zu verwenden.